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Frage von Philipp V. •

Frage an Brigitte Zypries von Philipp V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich muss leider sagen, dass Sie die Frage des Herrn Peter Bauer vom 25.09.2015 nicht beantwortet haben. Dieser fragte konkret nach der ethischen Sichtweise und nicht nach der juristischen Regelung. Diese stellt aber die Verfassung in seiner Basis dar. Sie ist, um es mit ihren Worten zu nennen ein einseitig geschlossener Vertrag der die juristische Legitimation zur Gewaltausübung anderer darstellt. Ethisch gesehen, aber das ist eine rein subjektive Sichtweise, ist dies sehr kritisch. Aufgrund dieser Rechtfertigung kann gegen Menschen, bei denen nicht von einer Willigung dieser Grundsätze, wie sie schon sagten sanktionell Gewalt ausgeübt werden. Sprich es können Maßnahmen und Verhaltensweisen erzwungen werden, die vom Individuum, oder Gruppen nicht akzeptiert werden. Dies ist, und das weniger objektiv betrachtet, schlicht Freiheitsberaubung. Mein "Vorfragesteller" hat sich hier explizit auf das Thema Wehrpflicht versteift. Ich denke jedoch diese Frage lässt sich generell auf viele weitere Bereiche ausweiten. Von daher stellt sich wahrhaftig die Frage mit welcher ethischen und freiheitlich vereinbaren Legitimation ist der Staat befugt Gewalt über seine Bürger ausüben zu können? Aufgrund einer einseitig doch vorherige Generationen festgelegten "Gesellschaftsvertrag" dem der Bürger weder zustimmen, noch ablehnen darf? Dieses Gebaren würde in anderen gesellschaftlichen Bereichen, als lupenreine Freiheitsberaubung (eben die genannte Beraubung zu selbstständigen Entscheidungsfindung ohne die Furcht vor staatlichen Repressalien) gelten und schwere Strafen nach sich ziehen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass es einer gewissen gesellschaftlichen Grundordnung bedarf, doch ist die Unsere tatsächlich mit dem Grundprinzip der freiheitlichen Selbstentfaltung zu vereinbaren und ist sie nur ein weiteres totalitäres Eindämmungssystem?

Mit freundlichen Grüßen

Philipp Voß

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Voß,

es ist schwer möglich zu beantworten, weshalb der Staat befugt ist, Gewalt über seine Bürger auszuüben, ohne dabei den juristisch-philosophischen Aspekt einzubauen.

Unser westliches Gesellschafts- und Demokratieverständnis wurde wesentlich durch namenhafte Staatstheoretiker wie Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau geprägt. Beide verfolgten in ihren Überlegungen die Idee eines Gesellschaftsvertrages. Hobbes´ Begründungen für die Notwendigkeit eines Staates liegt zunächst im anarchischen Urzustand der Gesellschaft, der durch Krieg aller gegen alle gekennzeichnet ist. Um eine dauerhafte Friedensordnung zu etablieren, benötigt man einen Staat, der über einen Gesellschaftsvertrag als Repräsentant der Gesellschaftsmitglieder fungiert. Hierfür übertragen die einzelnen Gesellschaftsmitglieder ihr ursprüngliches Recht, nach eigenem Ermessen völlig frei zu handeln, an den Staat. In diesem bündeln sich dann die Kräfte der Gesellschaftsmitglieder, und ihm fällt es zu, die Gesellschaftsmitglieder – notfalls auch mit Gewalt – voreinander oder gegenüber anderen Völkern zu beschützen. Auch bei Rousseau spielt der Gedanke eine Rolle, dass eine allgemeine Grundlage legitimer politischer Macht nur der allgemeine Wille sein kann, der immer auf das Gemeinwohl abzielt. Auch hier ist die Voraussetzung für das Funktionieren des Vertrages, dass sich die Gesellschaftsmitglieder dem Vertrag unterordnen.

Heute regelt unsere Verfassung, welche Rechte der Staat gegenüber seinen Bürgern hat und welche Rechte dem Bürger gegenüber dem Staat zustehen. Das Strafmonopol ist dem Staat übertragen, der Bürger kann sich vor der unabhängigen Justiz dagegen wehren.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Zypries