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Frage von Peter B. •

Frage an Brigitte Zypries von Peter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich wurde als Kind beschnitten. Diese Beschneidung war nur religiös motiviert, es bestand in keiner Weise irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden.
Nun möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich unter dieser religiös motivierten Beschneidung unfassbar leide und aufgrund dieser Beschneidung bei mir auch ein massiver Leidensdruck entsteht, der sich in andere Bereiche wie der Sexualität zeigt, ich kann aufgrund dieser Beschneidung mich nicht auf eine intime Beziehung mit einer Frau einlassen, da die Scham riesengroß ist! Außerdem hat sich mein Glied im Laufe der Jahre desensibilisiert, da die natürliche Schutzfunktion der Vorhaut nicht mehr gegeben war! Dies war eine kurze Vorgeschichte, damit Sie verstehen worauf ich hinaus möchte!
Warum ist es erlaubt, religiös bedingte Körperverletzungen ohne rechtliche Bestrafung durchzuführen? Ich dachte immer in Deutschland hat man das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das steht doch sogar in der Verfassung! Was sagen Sie als Befürworterin der Beschneidung zu meinem immensen Leid, das ich tagtäglich zu ertragen habe?
Warum ist die religiös bedingte milde Beschneidung bei Frauen verboten?
Erzählen Sie mir jetzt bitte nicht, dass religiös bedingte Beschneidungen bei Frauen nicht vorkommen oder diese nur der Unterdrückung und Diskriminierung dienen und es deshalb kein Bedarf an einer Regelung der weiblichen Beschneidung gibt! UND ICH MEINE NICHT DIE GENITALVERSTÜMMELUNG, SONDERN DIE MILDE FORM DER BESCHNEIDUNG!(nicht das meine Frage wieder wegen Aufruf zur Gewalt an Frauen blockiert wird!) Das ist Unsinn und das wissen Sie auch! Gesetze werden nicht nur erlassen um einen Bedarf zu regeln, sondern um grundsätzliche Regeln aufzustellen, ob diese dann zur Anwendung kommen oder nicht ist unwichtig! Man würde auch Mord regeln wenn es keine geben würde! Was ist wenn jemand seine Tochter religiös motiviert mild beschneiden lassen möchte ohne Diskriminierung!!! und ohne Unterdrückung!!! darf er das?

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bauer,

Sie fragen danach, warum Beschneidung, die, wie Sie richtig feststellen, strafrechtlich betrachtet eine Körperverletzung gemäß § 223 StGB darstellt (übrigens egal ob medizinisch oder religiös motiviert), nicht bestraft wird.

Erfolgt die Beschneidung aus medizinischen Gründen (z.B. bei Verengung der Vorhaut) ist sie über die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt. Die Einwilligung ist wirksam, da sie bei medizinischer Indikation im Interesse des Kindes erfolgt. Erfolgt der Eingriff aus rein religiösen Gründen, ist die Wirksamkeit der Einwilligung fraglich. Hier treffen dann zwei grundrechtlich geschützte Rechtsgüter aufeinander: das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 GG) und auf Ausübung ihrer Religion (Art. 4 GG). Die gesetzliche Regelung, die getroffen wurde, musste diese Verfassungsgrundsätze abwägen und in eine Balance bringen. Ich sehe das realisiert.

Die Beschneidung von Mädchen ist und bleibt durch nichts zu rechtfertigen. Der Vergleich mit der Beschneidung von Jungen ist schon wegen des völlig unterschiedlichen Maßes an Gewalt unzulässig. Die von Ihnen erwähnte, sogenannte „milde“ Beschneidung, wird praktisch nirgendwo praktiziert. Beschneidungen bei Mädchen sind gefährliche Körperverletzungen und werden selbstverständlich immer verboten bleiben.

Ihre persönliche Leidensgeschichte ist schlimm und tut mir sehr leid. Obwohl ich die geltende gesetzliche Regelung für richtig halte, bin ich keine „Befürworterin der Beschneidung“, wie Sie es nennen.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Zypries