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Dorothee Schlegel
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Frage von Dirk L. •

Frage an Dorothee Schlegel von Dirk L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Frau Dr. Schlegel,
wie gedenken Sie die Zuwanderungsproblematik zu lösen? Wie wollen Sie die auf uns zukommenden sozialen Unruhen verhindern?
Ich sehe den Hauptgrund für die zunehmende Radikalisierung der Bevölkerung im Verhalten der meisten Politiker selbst. Es ist in unserem Land keine offene Diskussion über das Thema Migration möglich. Wer dagegen ist, ist automatisch ein Ausländerhasser und Rechtspopulist, alle anderen verhalten sich political correct. Die generelle Diffamierung der Zuwanderungsgegner treibt diese auf die Straße und in die Radikalisierung. Ich selbst (52, Diplom-Physiker, Zeit meines Lebens in Lohn und Brot, 2facher Familienvater) habe Zeit meines Lebens SPD oder Grüne gewählt. Dies wird mir nicht mehr passieren. Ich verabscheue Gewalt, kann die Pegida-Bewegung aber verstehen. Diese Bewegung ist bedenklich, keine Frage, aber sie wird von der aktuellen Poltik erzeugt, nicht von Hetzern. Die Politik gibt keine Antworten auf die brennenden Fragen der Menschen: Wer soll das bezahlen? Wo soll das enden? Der Ex-Bürgermeister von Neu-Kölln (SPD) geht von 10 Mio Flüchtlingen bis 2020 aus. Ich denke er hat Recht. Am Ende müssen für diese Kosten wir Bürger aufkommen. Es ist das Geld der Bürger, welches die Politik großzügig verteilt. Gleichzeitig haben wir einen riesigen Niedriglohnsektor und zunehmende Altersarmut. Jemandem, der selbst kaum rumkommt, kann man die aktuelle Flüchtlingspoltik nicht vermitteln. Dazu kommt, dass Recht und Gesetz für die Migranten nicht gelten. Es ist und bleibt oft illegale Einwanderung. Diese Menschen sind niemals in Lohn und Brot zu bringen. Allein von der schieren Anzahl her nicht. Von kulturellen Unterschieden und mangelnder Bildung ganz zu schweigen. Hier baut sich sozialer Sprengstoff auf, der unsere Gesellschaft zerreißen wird. Ich rate dringend dazu, Recht und Gesetz Gültigkeit zu verschaffen und auf das Volk zu hören. Im Zweifel Volksabstimmung!! Damit kann sich die Politik Rückendeckung verschaffen.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lorenz,

danke für Ihre Fragen und für Ihren Diskussionsbeitrag. Vorneweg: Ganz in der Tradition unserer christlich-abendländischen Kultur, möchte ich nicht von einem Problem sprechen, wenn Menschen in Not zu uns kommen und um Hilfe bitten. Als Christin sind die Menschen in Not für mich kein Problem. Sondern Not und Gewalt sind die Probleme. Diese gilt es zu lindern. Das ist wiederum eine riesige und schwer zu bewältigende Aufgabe, da gebe ich Ihnen Recht.

Viele der von Ihnen angeführten Punkte sehe ich anders als Sie. Ich unterstelle Ihnen aber nicht, „Ausländerhasser und Rechtspopulist“ zu sein. Ich antworte Ihnen gerne, auch wenn ich Ihnen an vielen Stellen wiederspreche. Genauso soll doch eine offene und kontroverse Diskussion stattfinden. Wie Sie sich sicher vorstellen können, erreichen mich leider zahlreiche Zuschriften die – vorsichtig ausgedrückt – weniger respektvoll und differenziert formuliert sind wie Ihre.

Sie kritisieren die „Political Correctness“. Political Correctness bedeutet ausdrücklich nicht, dass man keine Probleme ansprechen oder nicht kontrovers diskutieren darf. Ganz im Gegenteil: Ich verstehe unter Political Correctness, dass wir gerade bei kontroversen Debatten darauf achten, bei der Formulierung unserer Debattenbeiträge respektvoll miteinander umzugehen. Und, dass wir uns nicht gegenseitig beleidigen oder diffamieren. An dieser Stelle sollten wir unsere Werte verteidigen: Ein zentrales Element von Demokratie und Parlamentarismus ist der organisierte Streit nach bestimmten Regeln. Dessen Grundvoraussetzung ist ein friedlicher und respektvoller Umgang miteinander. Unser Mailverkehr zeigt doch, dass eine kontroverse Auseinandersetzung gut möglich ist. Um damit auf Ihre zweite Frage zurück zu kommen: Um soziale Unruhen zu verhindern ist gerade die Political Correctness ein wichtiger Baustein. Denn gegenseitiger Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung machen es möglich, sich in der Sache konstruktiv zu streiten, ohne dabei Menschen zu beleidigen und die Stimmung weiter anzuheizen.

Gerade weil (und nicht obwohl) „Recht und Gesetz“ in Deutschland Gültigkeit haben, kommen so viele Menschen zu uns. Denn das Recht auf Asyl kennt keine Obergrenze. Als SPD setzen wir uns schon lange für Volksentscheide auf Bundesebene ein, können uns aber leider nicht gegen die CDU/ CSU durchsetzen. Bei dieser konkreten Thematik halte ich eine Volksabstimmung aber ohnehin für falsch. Unsere Grundrechte dürfen nicht in Frage gestellt und erst recht nicht Gegenstand einer tagespolitischen Debatte werden. Zudem ist es mindestens fraglich, ob eine solche Volksabstimmung verfassungskonform wäre.

Gegen den „riesigen Niedriglohnsektor“ versuchen wir als SPD vorzugehen. Der Mindestlohn war ein sehr wichtiger Schritt. Flüchtlinge, die in Deutschland arbeiten, haben einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn wie andere Menschen auch. Es wird mit uns keine Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn für Flüchtlinge geben – wir wollen keine Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse in Deutschland. Als SPD haben wir die entsprechenden Forderungen umgehend und klar zurück gewiesen.

Auch was die Altersarmut angeht, sind wir nicht untätig. Zu Beginn der Legislaturperiode haben wir ein großes Rentenpaket verabschiedet. Als SPD und auch ich persönlich als Wahlkreisabgeordnete habe dafür viel Kritik einstecken müssen. Seit dem 1. Juli 2014 gilt das neue Rentenpaket. Es schließt mit der abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren und der Mütterrente eine Gerechtigkeitslücke. Wer lange gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, kann früher in Rente gehen. Die Mütterrente erkennt die Erziehungsleistungen von Frauen und Männern, die vor 1992 Kinder großgezogen haben, besser an. Die neue Erwerbsminderungsrente sichert die ab, die nicht mehr arbeiten können. Und durch die Erhöhung des Reha-Budgets können mehr Menschen Rehabilitationsmaßnahmen nutzen.

Für das Jahr 2016 ist bereits die nächste Rentenerhöhung im Gespräch.

Unsere Werte kosten Geld. Demokratie, Rechtsstaat, internationale Vereinbarungen, Europa, usw. gibt es nicht zum „Nulltarif“. Grundwerte und Grundrechte möchte ich aber nicht in (Steuer-)Geld aufrechnen. Zweifellos kostet der Zustrom von Flüchtlingen Steuergeld. Sie fragen, wer „das bezahlen“ soll. Dazu kann ich Ihnen nur eine Antwort zum aktuellen, heutigen Stand auf bundespolitischer Ebene geben. Wir profitieren momentan davon, dass wir in einer wirtschaftlich guten Situation sind. Wir haben tatsächlich die Luft, viele Dinge bezahlen zu können, ohne Steuern zu erhöhen. Und vor allem ohne Personal, Investitionen oder in anderen Bereichen kürzen zu müssen. Ob das in der Zukunft dabei bleibt, kann ich Ihnen leider nicht garantieren. Diese Antwort wird Sie bestimmt nicht zufrieden stellen, da sie vage ist. Aber Ihren Satz: „die Politik gibt keine Antworten“, möchte ich so nicht stehen lassen. Denn die Lage in der Welt ändert sich täglich, zum Teil stündlich. Was wäre denn eine präzise Antwort eines Politikers wert, die Stunden später schon wieder Makulatur, weil sie von der Nachrichtenlage überholt ist? Wo ich Ihnen Antworten geben kann, tue ich das jedoch gerne.

„Wo das enden soll“ bzw. wo das enden wird, kann ich Ihnen ebenfalls nicht beantworten – das haben wir zum großen Teil selbst mit in der Hand. Das hängt davon ab, wie wir jetzt mit der Situation umgehen. Wir müssen hier und heute schauen, dass wir den Prozess möglichst gut begleiten. Das gilt für jeden Einzelnen. Aufnahme und Integration sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Gerade bei den kulturellen Unterschieden, die Sie ansprechen, oder auch bei der Sprachkompetenz kann jeder Einzelne vor Ort in seiner Kommune mithelfen – ich selbst tue das auch.

Sehr geehrter Herr Lorenz, bei Ihnen in Hessen kenne ich mich leider nicht ganz so gut aus wie in meinem Wahlkreis Odenwald-Tauber. Dennoch bin ich gerne bereit, Ihnen Kontaktdaten und Anlaufstellen zu vermitteln. Dort können Sie sich melden, wenn Sie sich – wie so viele in Deutschland – ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren möchten. Damit können Sie Ihren Teil dazu beitragen, dass die Integration gelingt und kulturelle Unterschiede überwunden werden können. Denn ich bin mir sicher, dass sich der Einsatz eines politisch interessierten Bürgers, wie Sie es sind, für unsere Gesellschaft nicht darin erschöpft, kritische E-Mails an Politiker zu verfassen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dorothee Schlegel, MdB