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Ernst Dieter Rossmann
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Frage von Peter L. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von Peter L. bezüglich Innere Angelegenheiten

Sehr geehrter Herr Rossmann,

ich würde Sie gern etwas fragen:
Wie stehen Sie zur erneuten Änderung des Infektionsschutzgesetzes zu Gunsten der Entscheidungsgewalt der Bundesregierung und der quasi Entmachtung der Länderchefs der Bundesländer?
Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Leuschner,

herzlichen Dank für Ihr Schreiben hinsichtlich des Gesetzentwurfs zum vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (4. BevSchG).

Wenn diese Antwort jetzt kommt, ist die Zeit schon weiter vorangegangen und die Dinge haben sich politisch, rechtlich und vor allen Dingen hinsichtlich der Pandemie und der Impf- und Testlage weiterentwickelt.

Ich persönlich muss sagen, dass ich ausgesprochen froh bin, dass die Inzidenzen so stark zurückgehen und dass es mit den Impfungen gut vorangeht. So ganz falsch kann es ja nicht gewesen sein, was die Menschen und die Politik in den letzten Monaten getan haben.

Doch zunächst einmal noch zu dem Gesetz:

Das Ziel des Gesetzes, auf das Sie sich beziehen, ist eine bundesweite Vereinheitlichung der Corona-Maßnahmen. Die Länder sind damit verpflichtet, bei erhöhten Inzidenz- und R-Werten Maßnahmen zu ergreifen, um die Werte verlässlich zu senken und damit die dringende Abschwächung des Infektionsgeschehens zu erreichen. Wissenschaftler*innen und Expert*innen haben deutlich gemacht, wie wichtig gemeinsame und notfalls auch sehr strenge Maßnahmen sind, damit die Infektionszahlen sinken.

Wenn ich das im Rückblick sagen darf: Auch ich bin der Meinung, dass es fahrlässig gewesen wäre, kurz bevor eine flächendeckende Impfung erreicht ist, unnötige Risiken einzugehen und damit Menschen in Gefahr zu bringen. Eine vorschnelle Öffnung hätte genau dazu geführt, was aus meiner Sicht in keinem Verhältnis zu den gesundheitlichen Risiken gestanden hätte, die solche Öffnungen mit sich hätten bringen können. Zum Glück sinken jetzt die Inzidenzzahlen – gerade für die Betagten und Gefährdeten. Das sollte uns alle freuen. Ich bin jedenfalls sehr erleichtert, dass es so gekommen ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Tatsache, dass die sogenannte Notbremse, also insbesondere die Verschärfung der Maßnahmen ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen, ja bereits Beschlusslage zwischen der Bundesregierung und den einzelnen Ländern gewesen war. Angesichts einer erheblichen Zunahme der Belastung im Gesundheitssystem war eine bundesgesetzliche Grundlage dabei notwendig, um sicherzustellen, dass diese weitgehenden Maßnahmen auch ergriffen werden.

Dabei darf auch eines nicht vergessen werden: Die Nachvollziehbarkeit und vor allem das Verständnis für die Maßnahmen bleiben unabdingbar für die Akzeptanz der Menschen. Diese Akzeptanz hat unter den länderspezifischen Alleingängen und unübersichtlichen Verordnungen sehr gelitten, was besonders problematisch ist bei steigenden Inzidenzzahlen. Dennoch gibt es neben dieser Vereinheitlichung bei sinkenden Inzidenzzahlen auch weiterhin länderspezifische und regionale Kompetenzen.

Zum Thema nächtliche Ausgangsbeschränkung möchte ich noch Folgendes anmerken. Es ist klar, dass solch eine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen worden ist. Dennoch halte ich dieses Mittel für verhältnismäßig, da es zum einen von der Wissenschaft in Kombination mit weiteren Instrumenten empfohlen wird und zum anderen auf einen engen zeitlichen Rahmen im Tagesverlauf beschränkt ist und Ausnahmen nicht nur für Notfälle, sondern auch zum Zwecke der körperlichen Bewegung bis Mitternacht möglich sind. Dabei muss man auch konstatieren, dass die überwiegende Zahl der verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen die Zulässigkeit von Ausgangsbeschränkungen nicht in Frage gestellt hat. Klar ist aber auch, dass die Beschränkungen natürlich nicht zur Normalität werden und daher ja auch bis zum 30. Juni 2021 befristet sind.

Dass das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge auf die sofortige Aufhebung abgelehnt hat ist sehr wichtig, auch wenn die Hauptentscheidung noch aussteht. Die vermeintlichen Rechtskundigen, die eine sofortige Ablehnung der Maßnahmen durch das Bundesverfassungsgericht prophezeit haben, sind jedenfalls nicht bestätigt worden.

Offensichtlich hat es eine offene parlamentarische Debatte und Mehrheitsentscheidung gegeben. Für die SPD war wichtig, dass wir folgende Punkte durchsetzen konnten:

1.) Unabhängig von der Inzidenz werden Unternehmen beim Thema Arbeitsschutz noch stärker in die Pflicht genommen. Homeoffice wird dabei noch verbindlicher und es werden zwei verpflichtende Tests pro Woche für Arbeitnehmer*innen vorgeschrieben, bei denen Homeoffice objektiv nicht möglich ist.

2.) Wir haben uns für das Prinzip "Außen vor Innen" stark gemacht. Das heißt: Kinder können in Gruppen bis zu fünf Kindern gemeinsam mit einem getesteten Trainer Sport treiben.

3.) Wir investieren zwei Milliarden Euro in ein Corona-Aufhol-Paket für Kinder und Jugendliche im Rahmen des Nachtragshaushalts, um Lernrückstände entgegenzuwirken und mehr Nachhilfeangebote zu schaffen.

4.) Der Rechtsanspruch auf Kinderkrankentagegeld wird ausgeweitet.

Mittlerweile sind wir hier auch schon deutlich weiter in den Ländern mit einer geringen Inzidenz. Gut so!

Abschließend möchte ich auch noch mal betonen, dass wir jetzt einen Weg gefunden haben, dass der Bundestag noch intensiver miteinbezogen wird. Es hat eine klare Entscheidung dafür durch CDU/CSU und SPD, eine klare Entscheidung dagegen durch FDP, AfD und die Linke und eine merkwürdige Enthaltung durch die Grünen (erst dafür und plötzlich dagegen) gegeben. Dieser Abstimmung ging ein parlamentarisches Verfahren samt Debatte und Anhörungen von Fachexpert*innen voraus.

Dass der Bundesrat zugestimmt hat, wo Parteien wie die Grünen, aber auch die FDP und die Linkspartei im Bundestag nicht zugestimmt haben und die Landesregierungen im Bundesrat mehrheitlich dafür waren, passt auch ins Bild. Ich wünsche mir hier eigentlich eine klare Linie und keinen parteitaktischen Wankelmut. Hier geht es doch schließlich um etwas sehr Wichtiges: Gesundheitsschutz und Bürgerrechte.

Auch ich konnte mir so nach reiflicher Überlegung und intensiver Aussprache meine Meinung bilden und habe für das Gesetz gestimmt, da es in meinen Augen notwendig für die weitere Pandemiebekämpfung ist. Ich bleibe dabei optimistisch, dass wir so das Virus bald kontrollieren können.

Herzlichen Dank noch einmal für Ihr Schreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst Dieter Rossmann