Gabriele Hiller-Ohm
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Frage von Walter B. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Walter B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

zurzeit gibt es eine rege Diskussion über die ansteigende Altersarmut. Den Arbeitnehmern wird geraten zu „Riestern“.
Der Bürger hat geglaubt, ich auch, dass die Zertifizierung zu einem fairen „Riestervertrag“ führt. Die Bearbeitungs- / Verwaltungsgebühren sind unangemessen hoch. Die staatlichen Zuschüsse und eigene Zahlungen werden über längere Zeit von den anfallenden Gebühren aufgezehrt.
Einem kritischen TV-Bericht zu Folge, wird in Schweden auch eine Zusatzrente angeboten. Dort wird die Zusatzrente von der staatlichen Rentenversicherung mit verwaltet. Das senkt die Verwaltungskosten und Gewinnstreben entfällt.
Dadurch fallen in Schweden nur ca. 7 % der Versicherungseinzahlungen als Kosten an. Bei den privaten Versicherern in Deutschland sind es durchschnittlich 15 %.
Für mich ergeben sich daraus drei Fragen zu freiwilligen Zusatzversicherungen im sozialen Bereich, die sie mir bitte beantworten.
1. Warum wurde (oder wird) die gesetzliche Rentenversicherung nicht für das „Riestern“ zugelassen bzw. geöffnet?

2. Für Bürger, die aus unterschiedlichen Gründen später über eine Grundversorgung nicht hinauskommen, wird die Riesterrente „verrechnet“. Damit trägt genau dieser Bürger dazu bei, trotz geringem Einkommen, die zu erwartenden Soziallasten zu mindern. Wollen Sie oder Ihre Partei diesen Zustand ändern, an dem nur die Versicherungen verdienen?

3. Ganz allgemein kann man feststellen, dass gesetzliche Sozialversicherungen von zusätzlichen Leistungsangeboten ausgeschlossen wurden. Die Krankenversicherungen dürfen keine Zusatzversicherung für z.B. Zahnersatz anbieten, obwohl die gesetzlichen Leistungen eingeschränkt wurden.
Bei der Pflegeversicherung wird wohl eine Zusatzversicherung nach dem Riestermodell angestrebt.
Hier haben private Versicherungen ein Privileg erhalten oder sollen es bekommen.
Werden Privatversicherer absichtlich bevorzugt und wenn ja, warum?

Mit freundlichen Grüßen
Walter Boller

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Boller,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Fragen zur privaten Vorsorge.

1. Die SPD möchte auch freiwillige zusätzliche Beiträge zur Rentenversicherung ermöglichen, insbesondere als Alternative zur betrieblichen Altersversorgung bei Kleinbetrieben. Eine sogenannte freiwillige Höherversicherung für Pflichtversicherte gibt es bei der gesetzlichen Rente seit dem 1.1.1998 nicht mehr. Das möchten wir ändern.

Die "Riester-Rente" in der gesetzlichen Rentenversicherung zuzulassen ist problematisch: Rente ist umlagefinanziert, zusätzliche Altersvorsorge ist kapitalgedeckt - es müssten also voneinander unabhängige Finanzierungssysteme etabliert werden, und damit auch eine Art ´Tochterfirma´ der Deutschen Rentenversicherung, die zusätzliche Altersvorsorge betreibt. Damit sind dann wettbewerbs- und europarechtliche Probleme berührt: Darf eine Sozialversicherung, die eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, auf dem Markt in Konkurrenz zu privatrechtlichen Akteuren agieren?

2. Die Grundsicherung im Alter ist eine bedürftigkeitsorientierte Leistung, insofern ist es systematisch sinnvoll, dass eigenes Einkommen angerechnet wird. Ich kann mir hier jedoch eine Freibetragsregelung vorstellen, um private Vorsorgeleistungen zu honorieren und die Motivation zur zusätzlichen Absicherung zu stärken.

Unser sozialpolitisches Ziel muss es aber sein, die vorgelagerte Rentenversicherung so zu stärken, dass weniger Menschen auf die Grundsicherung angewiesen sein werden. Es bleibt für mich dabei, dass die gesetzliche Rente die wichtigste Säule darstellen muss. Betriebsrenten sind als Ergänzung geeignet, aber nur dann, wenn die Arbeitgeberseite dabei nicht völlig oder nicht in weiten Teilen aus der Verantwortung entlassen wird.

Leider steht für viele Versicherungsunternehmen offensichtlich das Gewinnstreben vor der Verantwortung für ihre Kunden. Diesen Eindruck muss man aus den jüngsten Beiträgen in den Medien zur privaten und zur betrieblichen Altersvorsorge gewinnen. Sie haben darauf hingewiesen. Hier müssen wir den Verbraucherschutz stärken!

3. Mein Verständnis von sozialdemokratischer Sozialpolitik ist, dass die staatlichen Institutionen, also gesetzliche Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung, alle wichtigen Risiken und Lebenssituationen Rechnung tragen. Diese Versicherungen müssen paritätisch durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert werden. Alleinige arbeitnehmerfinanzierte, private Vorsorge ist aus meiner Sicht keine stark belastbare Stütze - bestenfalls eine Ergänzung. Auch hier gilt es den Verbraucherschutz so zu stärken, dass private Absicherung sich für die betroffenen Menschen und nicht ausschließlich für die Versicherungsunternehmen lohnt!

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Gabriele Hiller-Ohm