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Georg Eisenreich
CSU
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Frage von Dominik H. •

Warum gibt es seit 2017 450 Verfahren gegen Vertreter der Kirche? Warum werden die Ressourcen der Justiz nicht für wichtigere Dinge eingesetzt?

Sehr geehrter Herr Eisenreich,

seit 2017 gibt es in Bayern 450 Vermittlungsverfahren wegen Kirchenasyl gegen Vertreter der christlichen Kirche. Für die CSU steht "Das C in unserer Partei für die christliche Werteorientierung." Auf der einen Seite Vertreter des christlichen Glaubens wegen Ausübung einer christlich-humanitären Tradition vor Gericht zu bringen und auf der anderen Seite etwas von christlicher Werteorientierung auf die Fahne schreiben? Wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/kirchenasyl-bayern-fluechtlinge-abschiebung-101.html

Wäre es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoller die in diesen Verfahren gebundenen Ressourcen für die schnelle Bearbeitung von wichtigen Verfahren einzusetzen? Dann müssen vielleicht keine Verdächtigen aus der U-Haft entlassen werden? 2022 15 (Platz 1 im Ländervergleich), 2021 10 (Platz 3), ...

https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-u-haft-verdaechtige-verfahrensdauer-1.5749716

MfG,
D. H.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich gerne beantworte.

Das Kirchenasyl ist Ausdruck des humanitären Engagements der Kirchen für geflüchtete Menschen. Aber auch ein von ehrenwerten Motiven getragenes Engagement muss sich in einem Rechtsstaat an das geltende Recht halten.

Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (Entscheidung vom 3. Mai 2018, abrufbar unter: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-7252) entfällt bei Gewährung von Kirchenasyl eine Strafbarkeit grundsätzlich nur dann, wenn sich die Kirchen an eine entsprechende Grundsatzvereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie der evangelischen und katholischen Kirchen von 2015 (www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/merkblatt-kirchenasyl.pdf?__blob=publicationFile&v=7) halten. In diesem Fall findet keine Strafverfolgung statt. Wenn sich Geistliche über diese Vereinbarung hinwegsetzen, sind die Staatsanwaltschaften nach dieser Rechtsprechung und nach dem aus § 152 Absatz 2 Strafprozessordnung folgenden Legalitätsprinzip verpflichtet, die Sache zu verfolgen. Dasselbe gilt, wenn Geistliche Kirchenasyl in Fällen gewähren, für die die Vereinbarung gar nicht gilt. Den Kirchen ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 3. Mai 2018 bekannt. Die in der genannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze hat im Jahr 2022 auch das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigt (Entscheidung vom 25. Februar 2022, abrufbar unter: BayObLG, Urteil vom 25.02.2022 - 201 StRR 95/21 - openJur).

Wie in allen anderen Fällen, in denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen, sind die Staatsanwaltschaften daher auch in Fällen des Kirchenasyls verpflichtet, Ermittlungen einzuleiten, wenn die oben genannten Voraussetzungen vorliegen. Ein Ermessen, etwa im Hinblick auf die Anzahl bereits anhängiger anderer Verfahren von der Einleitung abzusehen, besteht nach dem Gesetz nicht. Daher können Ressourcen der Justiz schon aus rechtlichen Gründen nicht dadurch freigesetzt werden, dass in Fällen des Kirchenasyls von jeglicher Strafverfolgung abgesehen wird.

Mit freundlichen Grüßen
Georg Eisenreich, MdL

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