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Hans-Peter Uhl
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Frage von Alexander R. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Alexander R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,

In einem Interview mit der "Bild" am 11.3.2011 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel alle Euro-Staaten aufgefordert, "endlich aus den Sünden der Vergangenheit zu lernen" Weiterhin fällt ihr Zitat

"Jedes Land ist für seine Schulden selbst verantwortlich"

Wie können Sie diesen "Sinneswandel" in Bezug auf die positive Abstimmung zum dauerhaften Eurorettungsschirm ESM am 29.06.2012 erklären? Ich erinnere Sie daran das auch Sie in dieser Frage mit Ja abgestimmt haben.

Das Interview ist auf dem Portal der CDU zu finden.
(http://www.cdu.de/archiv/2370_32483.htm)

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Rulph

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Rulph,

ich sehe in der genannten Äußerung der Kanzlerin weder einen Sinneswandel noch einen Widerspruch zum europapolitischen Konzept der Bundesregierung, was ich im Folgenden erklären möchte.

Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die Reduzierung der Budget- und der Außenhandelsdefizite – all dies ist die Pflicht der Krisenländer. Es geht hierbei um die Leistungsfähigkeit der staatlichen Institutionen (zumal Finanzämter und Gerichte) und grundsätzlich um die Frage der Wirtschaftsverfassung: Notwendig wäre mehr Wettbewerb statt geschützter Branchen und Kartelle etc. Hier hilft letztlich nur entsprechende Eigenverantwortung und –Anstrengung in den Krisenländern selbst. Angebotsorientierte Wirtschaftsreformen müssen hier zum Zuge kommen.

Wertvolle Zeit für Reformen in den Krisenländern wurde jedoch verloren, weil aufgrund der Rettungsschirme - aus Sicht der Krisenländer – scheinbar eine bequemere Alternative am Horizont lockte: Warum bei uns sparen und Privilegien abschaffen, wenn wir uns stattdessen am großen Topf der gemeinsamen Kasse anstellen können? Diese Rhetorik, welche Raum gegriffen hat in Teilen der Auslandspresse, ist unverschämt.

Nach meinem Eindruck wendet sich jedoch das Blatt. Die Linie der Kanzlerin und des Bundesfinanzministers hat die EURO-Partner zur Ernüchterung gebracht. Allmählich dämmert es allen Beteiligten, dass mit dem ESM kein Selbstbedienungsladen entsteht, mit dem ein eingefahrener Schlendrian weitergeschleppt werden kann. Nehmen Sie allein die muntere Diskussion um neue Konjunkturprogramme auf Pump, die nach dem Wahlsieg von Hollande geführt worden ist – diese Diskussion ist inzwischen völlig weg. Ich hoffe, dass unsere geschätzten Partner in Spanien, Italien und Co. jetzt endlich erkennen, was die Stunde geschlagen hat. Denn die Währungsunion ist ein erhaltenswertes Gut, aber – aus deutscher Sicht – sicherlich nicht um jeden Preis.

Ich ziehe aus den genannten Problemen nicht den Schluss, dass supranationale Kredite auf dem Weg einer leistungsfähigen Institution wie dem ESM grundsätzlich falsch sind.
- Über einen zwischenstaatlichen Fonds können Hilfskredite an einzelne Partnerstaaten gewährt werden.
-Wer einen solchen Kredit will, muss sich Auflagen fügen, damit die Kreditgeber nicht nur die Haftung tragen, sondern auch entsprechende Kontrolle bekommen.

Generell liegt es in der Eigenverantwortung eines jeden Staates, • seine Schuldentragfähigkeit glaubhaft zu machen
- und sich somit zu erträglichen Zinsen Geld von privaten Investoren zu leihen.

Aber leider funktionieren die Finanzmärkte nicht perfekt. Es besteht die Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung:
- Aufgrund schlechter Nachrichten steigen die Zinsen. - Dadurch verschlechtert sich die Fähigkeit eines Landes, Zins und Tilgung für seine Schulden zu zahlen.
- Die Kapitalanleger verlangen deshalb noch höhere Zinsen, um sich gegen das Risiko eines Zahlungsausfalls abzusichern.
- Die höheren Zinsen verstärken die Zweifel an der Solvenz weiter.

Es ist ein Teufelskreis, der dazu führen kann, dass ein Land, das eigentlich kein Pleitekandidat ist, trotzdem in die Pleite getrieben wird – zum Nachteil von ganz Europa. Hier stellt sich die Frage: Wollen wir das einfach so hinnehmen und sagen: Die Finanzmärkte haben immer Recht? Ich bin nicht dieser Ansicht und deshalb sage ich: Der EURO-Rettungsschirm kann ein sinnvolles Hilfsmittel sein, um den Teufelskreis der Spekulation zu durchbrechen. Vgl. Sie die kritisch-differenzierte Bewertung des Ökonomen A. Haufler (LMU München): http://www.ecpol.vwl.uni-muenchen.de/downloads/publis/prof_haufler/esm_ifoschnell2011.pdf.
Wir haben im ESM-Finanzierungsgesetz die Beteiligung an allen Entscheidungen des ESM geregelt: Wann immer künftig Geld aus dem ESM ausgezahlt werden soll, muss der Bundestag dies vorher genehmigen.
- Jeder konkrete Hilfsantrag wird separat geprüft und verhandelt werden. - Ohne deutsche Zustimmung gibt es keinen Kredit (Vetorecht)
- Und die Zustimmung Deutschlands gibt es nicht ohne Zustimmung des Bundestag. Allerdings kommt es auf die künftigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag an.

Eine Schuldenvergemeinschaftung, die weit weniger kontrollierbar wäre als auf dem Weg von ESM-Krediten, wie in Form Eurobonds lehne ich ab. Ich trete ein für einen restriktiven Gebrauch der künftig verfügbaren ESM-Instrumente. Entweder eine restriktive Linie mit CDU/CSU oder eine unkontrollierbare Haftungs- und Transferunion (so die Tendenz bei SPD, Grünen, Linkspartei) – das werden die Alternativen für die Bundestagswahl im nächsten Jahr sein.

Die Politik der Bundesregierung kämpft also für eine Überwindung der Schuldenkrise, die zugleich zwei Übel vermeiden will:
- Erstens: Chaotischer Zusammenbruch der Euro-Zone
- Zweitens: Tollkühne Politik der gemeinsamen Kasse

Mit freundlichen Grüßen
Uhl