Portrait von Kassem Taher Saleh
Kassem Taher Saleh
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Aurelia W. •

Warum fordern Sie nicht einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an Israel sowie einen Waffenstillstand im Krieg gegen das palästinensische Volk?

Am Tag nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, alle Behauptungen Südafrikas, Israel begehe Völkermord, seien plausibel, beschuldigte Israel einige Mitarbeiter der UNWRA, an den Anschlägen vom 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Was hat Deutschland getan, bevor es auf eine unabhängige Untersuchung gewartet hat? Die Finanzierung wurde sofort eingestellt, als die Menschen sie am meisten brauchten. Ich bin absolut empört und entsetzt über die Reaktion Deutschlands und seine Doppelmoral. Es ist völlig klar, dass sich die deutsche Regierung wenig um das Leben der Palästinenser schert. Wo ist die Menschlichkeit? Jeden Tag wache ich auf und frage mich, was nötig ist, damit Länder mit Einfluss auf die israelische Regierung ihre Stimme erheben. Dies geschieht nicht in meinem Namen, für mich gelten die Menschenrechte für alle Menschen.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau W.,  

herzlichen Dank für Ihr Interesse an der aktuellen Situation in Palästina und Israel. Es freut mich, dass Sie sich mit diesem komplexen Thema auseinandersetzen, und ich schätze Ihren Beitrag zum Dialog über den internationalen Frieden.  

In meiner Betrachtung strebe ich eine ausgewogene Perspektive an, die Solidarität mit Palästina einschließt, ohne dabei Antisemitismus zu unterstützen, und gleichzeitig Solidarität mit Israel zeigt, ohne in Rassismus zu verfallen. Es ist mir bewusst, dass diese Gratwanderung anspruchsvoll ist, insbesondere angesichts der vielschichtigen Gruppen auf beiden Seiten des Konflikts. Darunter finden sich auch solche, die die Existenz des jeweils anderen Staates vollständig negieren. Diese Komplexität unterstreicht die Herausforderung, klare Positionen zu beziehen, ohne Narrative extremistischer Gruppierungen aufzugreifen.  

Die Verantwortung Deutschlands, sich für das Existenzrecht Israels einzusetzen und den Schutz von Jüdinnen und Juden zu fördern, ist von großer Bedeutung. Insbesondere in Zeiten, in denen Antisemitismus von rechter und linker Seite Ängste unter Jüdinnen und Juden hervorruft, gilt es, deren Schutz zu gewährleisten. Dabei ist entscheidend, dass diese Bemühungen frei von jeglicher Diskriminierung sind und die Rechte aller Menschen respektiert werden. 

Es wäre fatal, die Taten einer Terrororganisation wie der Hamas zu rechtfertigen oder zu unterstützen, deren Ziel es offensichtlich nicht ist, das Wohl der palästinensischen Zivilbevölkerung zu fördern, sondern ideologische bzw. antisemitische Ziele zu verfolgen. Gleichzeitig schließt dies nicht aus, dass Israel keine Menschenrechtsverletzungen begehen kann oder dass es zu keinem weiteren Rechtsruck innerhalb des Landes kommen könnte. Die Gefahr eines Genozids sollte gewissenhaft geprüft werden, wie dies bereits durch den Internationalen Gerichtshof erfolgt. Ebenso sollte die israelische Siedlungspolitik, die völkerrechtlich illegal ist und bereits von der Außenministerin kritisiert worden ist, im Westjordanland und Ost-Jerusalem ausgebremst werden. 

In diesem ideologisch und religiös aufgeladenen Konflikt darf das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verloren werden: die Verfolgung einer Zwei-Staaten-Lösung. Eine solche Lösung erfordert diplomatische Bemühungen und die Schaffung eines Umfelds, das gegenseitiges Vertrauen fördert und den Dialog zwischen den Parteien ermöglicht. Inmitten der anhaltenden Konflikte und humanitären Herausforderungen im Gazastreifen sind es vor allem die Kinder und Frauen, die eine besonders schwere Zeit durchleben, geprägt von emotionaler Belastung und schweren Lebensbedingungen. Was für uns nach außen, wie die Zerstörung von Lebensgrundlagen aussieht, bedeutet für die Menschen vor Ort den Verlust ihrer Heimat und ihrer Identität. Angesichts dieser verheerenden Auswirkungen des Konflikts, gedenke ich in tiefer Verbundenheit allen palästinensischen und israelischen Opfern, in der Hoffnung auf einen baldigen Weg zu Frieden und Gerechtigkeit.

Dazu habe ich heute auch ein Interview in der TAZ gegeben: https://taz.de/Gruenen-Politiker-Saleh-zu-Nahost-Debatte/!5989192/.

Mit freundlichen Grüßen

Kassem Taher Saleh MdB

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