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Frage von Hasan C. •

Frage an Katrin Kunert von Hasan C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kunert,

ich möchte Ihnen gerne eine Frage stellen, die im Zusammenhang mit der Abstimmung zum Meldegesetz am 28. Juni 2012 steht. Aus den verschiedenen Presseberichten war zu erfahren, dass bei der Abstimmung über das Gesetz weniger als 30 Abgeordnete anwesend waren und die Abstimmung selbst weniger als eine Minute gedauert hat. Für jemanden wie mich, der sich auch in seiner Heimatgemeinde mit Politik beschäftigt und regelmäßig das Geschehen in unserer Gemeindevertretung verfolgt ist dieser Vorgang mehr als befremdlich. Nach unserer Kommunalverfassung kann die Kommunalvertretung nur dann wirksam einen Beschluss fassen, wenn sie beschlussfähig ist, d.h. wenigstens die Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist. Können Sie als kommunalpolitische Sprecherin und Parlamentarierin erklären, wie es sein kann, dass Beschlüsse einer Gemeindevertretung nur wirksam sind, wenn eine beschlussfähige Mehrheit anwesend ist, während im Bundestag ein Gesetz mit weniger als 5 Prozent der Abgeordneten beschlossen werden kann? Es kann doch nicht sein, dass in Bezug auf die beschlussfähige Mehrheit im Bundestag etwas anderes gilt als für die beschlussfähige Mehrheit auf der kommunalen Ebene?

Für die Beantwortung meiner Frage möchte ich Ihnen im Voraus danken.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Cakir,

zunächst möchte ich mich für Ihre Frage bedanken. Die Aussage gegen Ende Ihrer Frage ist natürlich zutreffend. Ähnlich wie bei Abstimmungen über Satzungen in Ihrer Gemeindevertretung kann der Bundestag grundsätzlich nur dann Beschlüsse fassen, wenn eine beschlussfähige Anzahl von Abgeordneten anwesend ist. Nach § 45 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) ist der Bundestag beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Allerdings werden Beschlüsse des Bundestages nicht automatisch unwirksam, wenn weniger Abgeordnete anwesend sind. Dies hängt damit zusammen, dass eine etwaige Beschlussunfähigkeit durch den Bundestag selbst festgestellt werden muss. Das Verfahren hierfür ist in § 45 Absätze 2 bis 4 GO-BT geregelt. Um dieses Verfahren in Gang zu setzen müssen zunächst eine Fraktion oder mindestens 5 Prozent der Mitglieder des Bundestages gegenüber dem Präsidium Zweifel an der Beschlussfähigkeit des Bundestages geltend machen. Bestehen die Zweifel auch innerhalb des Präsidiums (welches von Vertretern verschiedener Fraktionen besetzt ist) muss die Zählung der anwesenden Abgeordneten angeordnet werden. Wenn diese ergibt, dass der Bundestag nicht beschlussfähig ist, muss die Präsidentin bzw. der Präsident die Sitzung sofort aufheben (§ 45 Absatz 3 Satz 1 GO-BT).

Wenn die Beschlussfähigkeit von keiner Fraktion oder mindesten 5 Prozent der Abgeordneten angezweifelt wird, kommt das oben beschriebene Verfahren nicht in Gang, so dass es nicht zur Feststellung der Beschlussunfähigkeit des Bundestages kommen kann. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch Bundestagsbeschlüsse wirksam sein können, die in Sitzungen gefasst wurden, in denen der Bundestag nicht beschlussfähig war.

Selbstverständlich sind wir als Abgeordnete stets bemüht, möglichst zahlreich bei den einzelnen Sitzungen des Bundestages vertreten zu sein. Allerdings ergeben sich durch das Mandat neben den eigentlichen Sitzungen im Plenum noch diverse andere Verpflichtungen (z.B. dringende Termine im Wahlkreis, Ausschusssitzungen, Pressetermine, Parteiveranstaltungen u.ä.), so dass es zwangsläufig auch zu terminlichen Überschneidungen kommt.

Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Abstimmung über das Einwohnermeldegesetz ist zu sagen, dass zu Beginn der damaligen Sitzungswoche noch ein Entwurf des gegenständlichen Gesetzes im Umlauf war, der von uns zwar ebenfalls abgelehnt wurde aber noch nicht die Neuregelung enthielt von der sich im Nachhinein sogar die Bundesregierung distanziert hat. Diese Neuregelung ist erst in der Sitzung des Innenausschusses (einen Tag vor der Abstimmung) eingefügt worden. Dieser Zeitablauf hat dazu geführt, dass sowohl bei uns als auch bei den beiden anderen Oppositionsfraktionen die ganze Tragweite des vorgelegten Entwurfs intern nicht mehr ausreichend kommuniziert werden konnte. Das Vorgehen der Koalition soll uns aber eine Lehre sein, so dass wir in Zukunft in derartigen Fällen wirkungsvoller reagieren können.

Zur Beantwortung weiterer Fragen stehen mein Büro und ich Ihnen natürlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Katrin Kunert