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Michael Roth
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Frage von Markus M. •

Sehr geehrter Herr Roth, wie beurteilen Sie Benjamin Netanjahus Landkarte, die palästinensische Gebiete Israel zurechnet?

Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-09/nahostkonflikt-benjamin-netanjahu-israel-palaestinenser-un-vollversammlung-kritik
Höchste israelische Sicherheitskreise waren bereits vor dem 7.10.23 bestens über Terrorpläne und Fähigkeiten der Hamas Informiert:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-12/new-york-times-israel-hamas-grossangriff-bekannt
Israels Verhalten in Gaza macht eine "Völkermord"-Klage plausibel: https://www.stern.de/politik/ausland/voelkermord-klage-gegen-israel-plausibel---was-die-entscheidung-bedeutet-34402938.html
Der israelische Holokaust Forscher Ohmer Bartov sagt dazu „…dass hier eine Strategie umgesetzt wurde, die vermutlich schon vor dem 7. Oktober erdacht wurde…“
https://taz.de/Genozidforscher-ueber-Gaza/!5984116/
Wie beurteilen Sie - als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses- dieses Ausradieren von Palästinensergebieten vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens?
Wie beurteilen Sie die verlinkte Einschätzung des Genozid Forschers Ohmer Bartov?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr M.,

für Ihre Fragen danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung. 

Die Bundesregierung unterscheidet strikt zwischen dem Gebiet des Staates Israel und den seit 1967 von Israel besetzten Gebieten – nämlich Ost-Jerusalem, dem Westjordanland, Gaza und dem Golan. Es ist langjährige Position der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, keine Änderungen an den Grenzen von vor 1967 anzuerkennen, die nicht einvernehmlich zwischen den Konfliktparteien vereinbart worden sind. Israelische Siedlungen im Westjordanland oder Pläne zur Wiederbesiedelung des Gazastreifens sind daher aus Sicht der Bundesregierung völkerrechtswidrig, ein Hindernis für den Frieden und eine Gefahr für die Grundlagen der Zwei-Staaten-Lösung. Nur eine Zwei-Staaten-Lösung vermag es, perspektivisch die Sicherheit von Israelis und Palästinensern gleichermaßen zu garantieren.

Am 7. Oktober ist den Israelis auf grausamste Art vor Augen geführt worden, dass es ein friedliches Nebeneinander mit Hamas-Terroristen im Gazastreifen nicht geben kann. Inwiefern die Geheimdienste, das Militär und die Regierung in Israel im Vorfeld der brutalen Hamas-Attacken versagt und die Bedrohung durch den Terror unterschätzt haben, muss dort innerstaatlich aufgeklärt werden. Hier habe ich vollstes Vertrauen in das Funktionieren der einzigen Demokratie im Nahen Osten – mit einer parlamentarischen Opposition, freien Medien und einer lebendigen kritischen Zivilgesellschaft. Die israelische Regierung steht in der Pflicht, ihr Sicherheitsversprechen gegenüber der eigenen Bevölkerung glaubwürdig zu erneuern. Dafür muss sie die Terror-Infrastruktur der Hamas im Gazastreifen ein für alle Mal zerstören.

Israel hat nach den Attacken vom 7. Oktober das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich selbst gegen den Terror zu verteidigen. Man kann die israelische Regierung für ihre militärische Operationsführung im Gazastreifen kritisieren, aber der Vorwurf des Genozids entbehrt jeder Grundlage. Der Internationale Gerichtshof hat am 26. Januar nicht in der Hauptsache – also über den Vorwurf des Völkermords – entschieden, sondern im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufige Maßnahmen angeordnet. Dabei hat das Gericht von Israel keine sofortige Einstellung der militärischen Handlungen gefordert, aber die Wahrung humanitärer Prinzipen. Das bedeutet, dass die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza besseren Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten und bei den Militäraktionen besser geschützt wird. Leider fehlt mir in dem IGH-Beschluss eine deutliche Verurteilung der Hamas, die weiterhin Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht und militärische Infrastruktur in Krankenhäusern, Schulen und Moscheen versteckt.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Roth

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