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Frage von Joachim O. •

Frage an Ulrich Kelber von Joachim O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter Kelber,

erlauben Sie mir bitte eine Frage …mal über den Tellerrand der Tagespolitik hinaus, zu Art. 146 GG:
Was muss der Wahlbürger unternehmen bzw. wen muss er wählen, damit dem Artikel 146 des Grundgesetzes Geltung verschafft wird?
Vielen nicht bekannt -oder es interessiert einfach nicht- , dass das Grundgesetz immer noch vorläufig ist und aus der Situation der unmittelbaren Nachkriegszeit resultiert. Denn es „verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“
Aus dem Text wird auch deutlich, dass wir -das Volk- trotz Grundgesetz- immer noch keine Verfassung haben, über die wir selbst entschieden haben.
Oder geht da kein Politiker -gleichgültig welcher Ausrichtung- an das Thema, weil sich alle (Herrschenden) mit dem Vorhandenen so vortrefflich bequem eingerichtet haben? Oder wird die Gefahr gesehen, dass dass sog. Ewigkeitsprinzip -für bestimmte Artikel geltend- durchlöchert werden könnte? Damit wir uns recht verstehen; ich halte ja auch das Grundgesetz für das Beste, was uns geschehen konnte aber... > siehe oben.
Mit freundlichen Grüßen, verbunden mit der guten Hoffnung auf eine treffliche Antwort

J. Otto

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Otto,

vielen Dank für Ihre Frage zum Grundgesetz und speziell zum Artikel 146.
Die vermeintliche Vorläufigkeit des Grundgesetzes, die sich aus Artikel 146 des GG zu ergeben scheint, ist durch den ausdrücklichen Beitritt der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik Deutschland (alt) und damit zum Grundgesetz, durch die Änderung der Präambel des Grundgesetzes und durch die Annahme der Änderungsvorschläge der gemeinsamen Verfassungskommission im Oktober 1994 erledigt.
Die Präambel des alten Grundgesetzes endete mit dem Satz „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“
Diese Präambel wurde mit dem Einigungsvertrag geändert und lautet nunmehr "... hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk."
Die 1991 von Bundestag und Bundesrat eingesetzte gemeinsame Verfassungskommission hatte den Auftrag, das Grundgesetz auf notwendige Änderungen und Ergänzungen hin zu einer gemeinsamen Verfassung zu überprüfen. Es wurden auch Änderungs- und Ergänzungsvorschläge erarbeitet (z.B. Staatsziel Umweltschutz), es wurde aber auch festgestellt, dass das Grundgesetz keiner grundsätzlichen Überarbeitung bedarf, weil es sich als Verfassung bewährt habe. Die Kommission hielt deshalb größere Reformen und eine Volksabstimmung über die vorgeschlagenen Änderungen des Grundgesetzes für entbehrlich, weil alle Entscheidungen gemäß dem Grundprinzip unserer repräsentativen Demokratie beschlossen worden sind. Auch nach Auffassung führender Staatsrechtler verlangt der Artikel 146 nicht zwingend eine Volksabstimmung um aus dem Grundgesetz eine gültige Verfassung zu machen.
Ich persönlich hätte es nach der Wiedervereinigung für gut gehalten, wenn es über unser Grundgesetz als unsere gemeinsame Verfassung eine Volksabstimmung gegeben hätte, dies wollte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung aber nicht und somit gab es dafür keine Mehrheit. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieses Grundgesetz als unsere Verfassung gilt und eine der besten nicht nur in Deutschland sondern weltweit ist.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber