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Jens Zimmermann
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Frage von Klaus K. •

Frage an Jens Zimmermann von Klaus K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Zimmermann

derzeit wird auf EU-Ebene über TTIP verhandelt. Da die Verhandlungen geheim geführt werden weiß die Öffentlichkeit so gut wie nichts darüber. Jetzt habe ich gelesen, daß noch über ein weiteres Abkommen „Trade in Services Agreement TiSA“ verhandelt wird, das den Bürgern weitestgehend unbekannt ist und das auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird. Würden Sie mich bitte über den Inhalt dieses Abkommen informieren und mir Ihre Position erläutern? Auch würde mich interessieren welche Position die SPD und der Parteivorsitzende dazu hat.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Kabey

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kabey,

vielen Dank für Ihre Frage zum geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA. Gerne nehme ich hierzu Stellung.

An den Verhandlungen zu dem Dienstleistungsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement) sind neben der EU und der USA weitere 22 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) beteiligt. Die Verhandlungen auf EU-Seite wurden im Juni 2013 aufgenommen. Zusammen repräsentieren diese Staaten ca. 70 % des weltweiten Dienstleistungshandels. Ziel des Abkommens ist es, einen verbesserten Marktzugang für Dienstleitungsunternehmen zu ermöglichen und das Abkommen später auf alle WTO-Mitglieder auszuweiten. Der Bundesregierung ist es weiterhin ein Anliegen, einen Abschluss des Abkommens im Rahmen der WTO zu erzielen. Inzwischen haben sieben Verhandlungsrunden stattgefunden, über deren Inhalte die Kommission die Mitgliedsstaaten laufend und transparent unterrichtet. Die letzte Verhandlungsrunde fand am 4. Juni statt.

Für mich und die SPD-Fraktion ist klar, dass die hohen EU-Standards für die Sicherheit und die Gesundheit der Verbraucher und Arbeitnehmer keinesfalls herabgesetzt werden dürfen. Ich bin froh, dass unser sozialdemokratischer Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel innerhalb der Bundesregierung die Federführung für das Thema TiSA hat. Wir begleiten die Verhandlungen aktiv. Als Sozialdemokraten erkennen wir die Möglichkeiten dieses Abkommens an. Gleichzeitig stellt die SPD-Fraktion jedoch wesentliche Forderungen an dieses Abkommen. Für TiSA müssen die gleichen Grundsätze wie für das Freihandelsabkommen TTIP gelten: Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, ökologische Nachhaltigkeit und öffentliche Daseinsvorsorge müssen gesichert sein und die Transparenz im Verfahren muss verbessert werden. Nach jetzigem Stand der Verhandlungen werden diese Grundsätze eingehalten.

Eine Befürchtung der Kritiker des Abkommens ist der Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge, unter anderem öffentliche Gas-, Wasser- oder Elektrizitätsunternehmen, an private Unternehmen. Eine Privatisierung oder Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen, insbesondere der Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wird durch TiSA allerdings nicht erfolgen.

Garantiert wird das unter anderem durch die Vorgaben, die die EU-Mitgliedstaaten in ihrem Verhandlungsmandat für die EU-Kommission gemacht haben. Im März 2013 ist klar festgelegt worden, dass diese Dienste nicht von Verpflichtungen im Abkommen betroffen sein werden (auf Seite 2 heißt es: „Die hohe Qualität der Versorgungswirtschaft in der EU sollte in Einklang mit dem AEUV und insbesondere mit dem Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse sowie unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der EU auf diesem Gebiet, auch im Rahmen des GATS, aufrechterhalten werden.“). Dies bedeutet in der Praxis eine breite Ausnahme für „Public Utilities“, also für öffentliche Dienstleistungen. Ich begrüße diese Ausnahmen ausdrücklich, denn die öffentliche Daseinsvorsorge kann nur sichergestellt sein, wenn sie nicht marktwirtschaftlichen Profitregeln unterliegt.

Ebenfalls unberührt von TiSA bleiben europäische und nationalstaatliche Regelungen zum Daten- und Verbraucherschutz. Das Abkommen entstand - wie bereits erwähnt - aus dem Wunsch nach einer Weiterentwicklung des im Rahmen der WTO im Jahre 1994 verhandelten Dienstleistungsabkommens GATS (General Agreement of Trade in Services). Die Struktur des Abkommens orientiert sich daher zum größten Teil an den Strukturen und Inhalten des GATS. Darin sind keine Regelungen zu solchen Fragen enthalten. Deshalb erwarte ich, dass weiterhin der Schutz von Arbeitnehmerrechten sowie Daten- und Verbraucherschutz garantiert sind und europäische Standards hier nicht unterlaufen werden.

Bei der Debatte um TTIP hat sich die SPD-Fraktion außerdem klar gegen Klauseln für Investorenschutz zwischen den USA und Europa ausgesprochen. Wir wollen keine Schiedsgerichtsverfahren vor Kammern, deren Zusammensetzung undurchsichtig ist. Das gilt im selben Maße auch für TiSA. Regelungen zum Investitionsschutz sind hier nicht Gegenstand der Verhandlungen zum Abkommen. Durch TiSA wird es deshalb keine Beeinträchtigung von Arbeitnehmer- oder Verbraucherrechten durch Investitionsschutzregeln geben.

Dass die Verhandlungen nicht öffentlich geführt werden, ist bei internationalen Abkommen der Normalfall. Nur so ist ein gewisses Maß an Vertraulichkeit zwischen den Verhandlungspartnern sichergestellt. Kritisch beurteile ich aber die beabsichtigte verspätete Veröffentlichung des Vertragstextes fünf Jahre nach Vertragsabschluss. Hier sehe ich deutlichen Nachbesserungsbedarf. Denn die europäische Öffentlichkeit braucht die Möglichkeit, sich ein Bild über die Verhandlungsergebnisse zu machen. Und das nicht erst fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens.

Der Deutsche Bundestag wird in den zuständigen Fachausschüssen regelmäßig von der Bundesregierung über die Verhandlungen informiert, das Europäische Parlament von der Kommission. In Veranstaltungen informieren die Kommission und das Wirtschaftsministerium darüber hinaus auch regelmäßig die Vertreter von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und Zivilgesellschaft. Die Zwischenergebnisse, soweit sie veröffentlicht werden können, finden Sie auf den Internetseiten des BMWI und der EU-Kommission.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jens Zimmermann

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