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Frage von Hanne-Margret B. •

Frage an Peer Kaeding von Hanne-Margret B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Kaeding

Welche Vorstellungen haben Sie zur Wiederbelebung einer kommunalen Friedenspolitik?

Mit freundlichem Gruß
Hanne-M. Birckenbach

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Birckenbach,

vielen Dank für Ihre interessante und herausfordernde Frage. Interessant, weil sie ein Feld berührt, mit dem ich mich in den letzten Jahren befasst habe: die Regelung von Konflikten. Herausfordernd, weil Ihre Erfahrungen mit der und ihr Einblick in die Friedensforschung meine Einsichten weit übertreffen.

Gleichwohl antworte ich Ihnen gern.

Seit mehr als 15 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit Mediation als Methode, Streitparteien an der Klärung ihrer eigenen Konflikte aktiv zu beteiligen. Seit zehn Jahren bin ich am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung für die Ausbildung und systematische Verankerung von Schüler-Streitschlichtern verantwortlich. Wie sollen junge Menschen konstruktive Formen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung lernen, wenn nicht in Kita, Schule und Jugendeinrichtungen?

Um Konflikte nicht nur zu beschwichtigen, sondern zu klären, um Gewaltvorfälle nicht nur zu unterbinden, sondern professionelle aufzuarbeiten benötigen alle Akteure professionelle, praxistaugliche Kompetenzen. Im Umgang mit modernen Formen konstruktiver Konfliktregelung besteht teilweise die kuriose Situation, dass der Kompetenzvorsprung der Erwachsenen (anders als bei Fachinhalten) auf Schülerinnen und Schüler gering ist. Im Gegensatz zu heutigen Schülern haben die meisten Lehrkräfte in ihrer Jugend keine Fortbildung für einen konstruktiven Umgang mit Konflikten erhalten. Wenn jungen Menschen bereits frühzeitig mehr Verantwortung für die Regelung ihrer eigenen Konflikte übertragen wird, wachsen mittelfristig immer mehr konfliktkompetente Menschen in Gesellschaft und Arbeitswelt hinein, die es als selbstverständlich empfinden, Streitigkeiten konstruktiv, kommunikativ und strukturiert zu bearbeiten.

Als stellvertretender Leiter der Beratungsstelle Gewaltprävention bin ich zudem häufig mit der Aufarbeitung schulischer Gewaltvorfälle befasst. Dabei wird deutlich, dass Friedenserziehung nicht nur eine Sache ferner Länder ist, die von Krieg oder Unruhen betroffen sind. Friedenserziehung fängt im Kleinen an. Jeder Schlag ins Gesicht ist so gesehen eine Kriegserklärung an die körperliche Unversehrtheit meines Gegenüber. Gleichzeitig gehören Grenzerfahrungen und Raufen zum Aufwachsen dazu. Der Grat zwischen professioneller Aufarbeitung von Jugendgewalt und Hysterie oder auch Nichtstun ist im Alltag häufig klein. Hier kann die Beratung und Unterstützung von Erziehern, Eltern und Lehrkräften durch Fachmenschen einen wichtigen Beitrag leisten.

Auch im Bereich der demokratischen Mitwirkung sehe ich Entwicklungsmöglichkeiten für Friedenspädagogik. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger setzen sich verstärkt für ihre Interessen ein. Die Einführung von Bürgerbegehren und -entscheiden auf bezirklicher sowie Volksbegehren und -entscheiden auf Hamburger Ebene hat in den letzten zehn Jahren zu einer stärkeren Beteiligung von Bürgern an politischen Entscheidungen geführt. Dieser für eine Demokratie positive Prozess muss Schritt für Schritt weiterentwickelt werden, um den Forderungen nach Teilhabe und Mitwirkung gerecht zu werden. Nur wenn Menschen sich ernst genommen fühlen und ihre Interessen in der Gemeinschaft einbringen können, werden sie motiviert sein, sich aktiv konstruktive Konfliktklärungsformen anzueignen.

Hamburg kann dabei als weltoffenes Bundesland eine Rolle als Impulsgeber übernehmen. Wir Grünen setzen uns daher dafür ein, dass

-Mediation in allen gesellschaftlichen Bereichen weiter ausgebaut und gefördert wird
-Bürgerbeteiligung weiter ausgebaut wird und durch Qualitätssicherungsmaßnahmen abgesichert wird
-Open-Data Prozesse Bürgerinnen und Bürgern aktuelle, präzise und umfassende Informationen über ihr Gemeinwesen liefern (unter Berücksichtigung des Datenschutzes)
-Friedensforschung an Universitäten und NGOs weiter ausgebaut und Projekte zu Konfliktprävention besser unterstützt werden

Noch ein Punkt: Ohne die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist eine erfolgreiche Friedenserziehung nicht möglich. Wo Frauen ausgegrenzt oder unterdrückt werden, wo ihnen Teilhabe verwehrt oder erschwert wird, kann keine funktionale Gesellschaft entstehen. Dies gilt selbstverständlich auch für Jungen, die in Deutschland zumindest teilweise Gefahr laufen, zu Bildungsverlierern zu werden. Auch im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit setzen wir Grünen uns seit Jahren für ein modernes Miteinander ein, z.B. indem wir eine Quotierung in der Partei vorleben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Grundzüge meiner Vorstellungen zur Wiederbelebung einer kommunalen Friedenspolitik skizzieren. Wenn Sie weitere Ideen oder Vorschläge haben, können Sie mir diese gerne zukommen lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Peer Kaeding